Du mein Gott ist der Titel eines geplanten Folgebands von Aus dem Zwischen des Hohelieds. Im Mittelpunkt steht der Dialog. Direkte Anrede anstelle eines formalen Gebets. Die angeredete Gottheit kann männlich und weiblich sein, fern und nah. Als ihr Ebenbild kommt sie als ganz normaler Mensch, etwa als Handwerker, daher. Erlebt wird sie in der Gnade des Augenblicks, im Zwischen. Im Folgenden eine kleine Auswahl als Leseprobe.
Ins Deutsche übertragen von Edith Lutz und Theo Breuer
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Als dieser Mann getötet wurde
Als dieser Mann getötet wurde, hingestreckt am Straßenrand,
er blutete aus dem gespaltenen Kopf,
da war mir die seltene Gelegenheit,
dir einige Geheimnisse des Gebets zu erläutern. ..
Schreckenswellen bliesen mit der kalten Luft
aus Richtung des Meeres über die sauberglatte
Wange des Getöteten hinweg, um
die Blutspritzer zu berühren. Als
die Nacht fiel, hörten wir
die ganze Zeit Angstkarawanen
über uns wie bedrohliche Wolken.
Das Gebet – sagte ich dir da am leeren Straßenrand – ist
eine Berührung der unsichtbaren Fäden, die
uns wie Marionetten auf dieser Erde
tanzen lassen.
Gott der Mitte
Der Gott der Mitte zieht an unseren Häusern vorüber.
Alles heilt er, Alles richtet er wieder her. Und: er hat Zeit im Überfluss. Niemand
wird bedrängt. Gestern, heute, morgen lächelt er.
Jetzt kommt der zentrale Gott als Glaser daher.
Ein Glaser. Ein neuer Glaser für Instandsetzungen. Von jeder Terasse,
aus jeder Familie, aus der ganzen Nachbarschaft wird er jetzt gesehen:
dürr und dünn, fast durchsichtig geht er vorüber,
in völliger Ruhe tut und macht er, oh,
keine Sorge, meine Dame, alles glänzt
nun wieder, alle Fenster, alle Lichter, alles
neu und blank geputzt, so werden die Dinge,
sich immer wieder einrichtend, erlebt,
wenn mein Gott der Mitte, jetzt als Glaser,
an unseren Häusern vorübergeht.
Der Gott der Mitte, höchster, erhöhter, geht jetzt
an unseren Häusern in der Gestalt eines Gärtners vorüber. Mit Harke, Spaten und kaputtem Eimer. Er
jätet, gräbt um, streut über das Gärtchen des Nachbarn zur Linken
immerwährend glänzenden Staub auf die Brandwunde der Zukunft, der Vergangenheit – was
gibt es hier zu fürchten, sein Lächeln ist
auf den Alten, ja, es ist für keine Sache
zu spät, ist mir doch eine Zeit gegeben für
Rat und Einsicht,
Vergebung und Verständnis. Und wieder kehrt Gott El
zurück und lächelt. Dies ist der Gott
der Ehre, des Nebels, der Engel, und der geistigen Gegenwart
den Meinen, den so müden, in unserer Siedlung,
gestern, heute, morgen.
Das ist der Gott der Mitte, der höchste, der erhöhte, der erhobene,
der jetzt mit einer Schubkarre vorüberzieht. Das ist der fachkundige
Gott, Verputzer, begnadeter Verschaler und auch ein Maler mit Farben in
Hülle und Fülle, auf der Schubkarre zwischen Walzen und Karren
schwanken ihm die Gips-Tafeln der Kenntnis
und Auswahl hin und her, während dieser El, dieser so dünne
Gott der Mitte, der Gott El, der wiederherstellt, der vor vielen
Jahren dieses All schuf, vollkommen und rein, der
auf Cheruben sitzt, ein Held, überwältigend weiß, ein Lord, erschaffend, schaffend, mit aufrichtiger Stimme,
schleierhaft eingehüllt, dünne lichtdurchleuchtete Tracht, dieser Gott El
geht nun an mir vorüber in ruhiger Vollendung
erneuernd und wiedergutmachend,
was da kommt an Überschreitung.
Wie der jüdische Prometheus
Wie der jüdische Prometheus,
leise, taste ich mich vor.
Ich, der Erste der Juden,
steige den Turm hinauf,
stehle von dir das Feuer.
Und bei dieser Gelegenheit,
entschuldige, auch noch ´ne Kippe,
eine letzte Zigarette, aus der raschelnden
Tasche des Himmelsgewölbs.
Wenn du's nicht tust, Eigner von allem,
so real, perfekt, abgesondert,
werd‘ ich allein, über dem Himmel,
im Zwielicht, eine schwache Farbe gießen.
Und ich lade auch deine Raben ein,
sich zu mir auf diese Bäume zu setzen
und dir einen Skandal zu bereiten.
Anmerkung:
im Zwielicht: „zwischen den Abenden“