Liebe Festgesellschaft,

ich bedanke mich bei der „Arbeitsgemeinschaft Friedensgruppen in Rheinland-Pfalz“ für die Verleihung des Friedenspreises und bei Clemens Ronnefeldt für die lobenden Worte.

Friedensarbeit, gleich welcher Art, kann nicht von einer Person alleine geleistet werden. In der Würdigung durch den Friedenspreis sehe ich mich stellvertretend für eine Gruppe von Menschen, die mit mir an der Mission des Friedensbootes gearbeitet haben und noch arbeiten.

Eine mir häufig gestellte Frage ist, „wie bist du/ wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein jüdisches Boot auf die Reise nach Gaza zu schicken?“ Die Frage ist nicht so leicht zu beantworten. Das sogenannte „Jüdische Boot“ ist nicht das Ergebnis der Idee eines Einzelnen, sondern eher das Resultat einer Entwicklungsfolge. Am Anfang dieser Entwicklung – um willkürlich einen Anfang zu setzen – stand die Suche nach einem Schiff, um mit einer deutschen Delegation an einer geplanten Jubiläumsfahrt der Freegaza-Bewegung im August 2009 teilzunehmen. Zwei Schiffe der Freegaza-Bewegung hatten im Jahr zuvor erstmalig die Gaza-Blockade durchbrochen. Nach einer stürmischen nächtlichen Überfahrt waren wir in dem kleinen Hafen von Gaza von einer überglücklichen Menschenmenge begrüßt worden. Nach über 40 Jahren war das erste Schiff angekommen. In der kurzen Zeit unseres Aufenthalts nahmen wir die Zerstörung wahr, Armut, Verzweiflung, aber auch Gastfreundschaft, Hoffnung und die Sehnsucht nach Frieden.

Die geplante Jubiläumsfahrt kam nicht zustande, die Flottille wurde verschoben. Während der langen Planungszeit meldeten immer mehr jüdische Menschen ihr Interesse an einer Mitfahrt an. Aus der zunehmenden Nachfrage jüdischer Interessenten erwuchs die Einsicht in die politische und ethische Bedeutung eines Bootes mit jüdischer Delegation. Die Mehrheit der Menschen in Gaza kannten und kennen Juden nur als Ausführende militärischer Angriffe. Im alltäglichen Sprachgebrauch sind die Angreifenden nicht „die israelischen Soldaten“, sondern „die Juden“. Unser Boot sollte statt Kriegsinstrumente Musikinstrumente mitbringen. Musik ist bekanntlich eine internationale Sprache, die verbindet.

Das Jüdische Boot war als eine Brücke gedacht mit der Botschaft der Solidarität an die unter Besatzung lebenden Palästinenser und einer Botschaft der Unterstützung an Frieden und Gerechtigkeit suchende Israelis. Von dieser Brücke erging und ergeht der Ruf an die Regierungen, sich gegen Besatzung und Belagerung auszusprechen und entsprechend zu handeln.

Dr. Eyad Sarraj, der bekannte Psychiater eines Gesundheitszentrums in Gaza,  schrieb in Erwartung der Ankunft unseres Bootes im September, 

 

„Ich habe geholfen, andere Boote zu begrüßen, aber dieses ist das bedeutendste für mich, weil es eine solch wichtige Botschaft trägt. Es bringt uns und der Welt die Botschaft, dass diejenigen, die wir Palästinenser als unsere Feinde ansehen müssten, stattdessen als unsere Freunde ankommen, als Brüder und Schwestern, die mit uns die Liebe zu Humanität und das Bemühen um Frieden und Gerechtigkeit teilen. Ich warte gespannt darauf, ihnen die Hände schütteln zu können und sie in herzlicher Umarmung willkommen zu heißen.“

 

Irene, das kleine Friedensboot, ist in Gaza nicht angekommen. Es wurde kurz nach Erreichen der Gewässer von Gaza abgefangen und wird noch immer illegal in einem israelischen Hafen zurückgehalten. Aber seine Botschaft ist unterwegs nach Gaza, hat den Hafen erreicht und beginnt sich im Lande auszubreiten. Dazu half eine Fotocollage unseres Bootes, die ich mit Hilfe der Freunde des ermordeten Vittorio Arrigoni nach Gaza bringen konnte. Die symbolische Ankunft des Bootes wurde in Gaza von vielen Menschen begrüßt.

Es wird noch viel Arbeit nötig sein, bis ein jüdisches Friedensboot Gaza und seine Bevölkerung erreichen kann. Ich sehe es vor mir - in Anlehnung an eine mittelalterliche adventliche Choralstrophe - „geladen bis an den höchsten Bord“ mit Gegenständen der Kunst, der Musik und der Freundschaft; das Segel: die Liebe; der uns führende Geist: der Mast.